Der Smart-Grid-Rollout wird fokussiert


Die „kleine“ Novelle bringt große Änderungen 

Bei dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ (Solarspitzengesetz) handelt sich um eine abgespeckte Version des Referentenentwurfs aus November 2024 (nur noch ca. 90 statt 450 Seiten), zu dem es noch am 13.11.2024 einen Kabinettsbeschluss gegeben hatte. Trotz Wahlkampf konnte das sogenannte „Solarspitzengesetz“ noch am Valentinstag vor der Wahl im Bundesrat verabschiedet werden und am 24. Februar im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden (BGBl. 2025 I Nr. 51 vom 24. Februar 2025). Insgesamt 9 Artikel, mit denen sich vor allem Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) ändern, wurden beschlossen. Das Ziel dahinter: unter dem Fokus der Systemstabilität eine bessere Integration der Erneuerbaren Energie sicherzustellen. Das Gesetzespaket stellt damit eine Vorsorge dar, temporäre Erzeugungsüberschüsse im Sommer entgegen wirken soll.  Eine Kurzübersicht zur Novelle des Energiewirtschaftsrechts von unseren Kolleg*innen der HORIZONTE-Group Technik finden Sie hier.

Für grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) stehen insbesondere Änderungen bei Rollout-Pflichten, Preisobergrenzen und neuen Standardleistungen im Fokus. Doch was bedeutet das konkret? Und wie können Messstellenbetreiber sich jetzt optimal aufstellen?

Anpassungen für den Smart-Meter-Rollout und Status Quo des Rollouts

Die neu gefassten §§ 29 bis 31 MsbG legen in Verbindung mit dem ebenfalls angepassten § 45 MsbG neue verbindliche Ziele mit konkreten Zeitrahmen, Fristen und neu gefassten Zwischenzielen als Rollout-Fahrplan fest. Neu ist dabei unter anderem auch, dass die Bezugsgröße des Rolloutziels für Erzeugungsanlagen nun nicht der relative Anteil der ausgestatten Messstellen ist, sondern die installierte Leistung.

Update (11. März 2025): Zum Stichtag 31. Dezember 2024 zählt die Bundesnetzagentur insgesamt 1.158.745 verbaute iMSys, was 2,18% der Messlokationen ausmacht (Quelle: BNetzA). Die erreichte Anzahl an iMSys über alle gMSB beträgt dabei 639.189 Stück und damit eine Ausstattungsquote von 13,91% der Pflichteinbaufälle. Dabei wundern sich einige gMSB jedoch, dass die von der BNetzA errechnete Quote von der eigens berechneten Pflichteinbaufall-Quote abzuweichen scheint. Erstaunlich ist darüber hinaus, dass insgesamt 340 MSB (44 %) noch nicht mit dem Rollout intelligenter Messsysteme begonnen haben. Aus diesem Grund hat die BNetzA Anfang Januar auch an hunderte gMSB Erinnerungsbriefe gesendet, dass die gesetzlich vorgegebenen Pflichteinbauquoten bis Ende des Jahres 2025 zu erfüllen sind. Für die gMSB, die nun loslegen müssen, bieten sich nun Partnerschaften und Rollout-Kooperationen an – oder einen Dienstleister, bzw., wMSB, zu beauftragen. Diese Maßnahmen wurden in den Erinnerungsbriefen der BNetzA bereits genannt und sollten durch gMSB geprüft werden.

Smart-Grid-Rollout im Fokus

Der BMWK-Auftrag aus der Wachstumsinitiative heißt, die Steuerungsfähigkeit in der Niederspannung zu maximieren. Die Digitalisierung soll mit der Energiewende Schritt halten, sodass der Smart-Meter-Rollout sich auf den Systemnutzen fokussieren soll und daher zum Smart-Grid-Rollout weiterentwickelt wird. Dabei soll die Komplexität reduziert werden, indem der Infrastrukturausbau von Smart Meter und Steuerungseinrichtung, bzw., aktuell wohl Steuerbox (STB), beim MSB gebündelt wird.

Die Steuerung soll nun zum Standardpaket der MSB-Leistungen (§ 3 Abs. 2 MsbG) gehören und ein jährlicher Test mit Nachweispflicht („Steuer-TÜV“) soll dies sicherstellen. Bei Nichterfüllung von Rolloutquoten oder Steuer-TÜV-Vorgaben drohen erstmalig Sanktionen, im schlimmsten Fall sogar der Entzug der Grundzuständigkeit, sodass der Auffang-Messtellenbetreiber eingesetzt werden müsste.

Aber wann hat eine Ausstattung mit intelligentem Messsystem sowie einer STB am Netzanschlusspunkt zu erfolgen? Adressiert werden jene Letztverbraucherinnen, die eine steuerbare Verbrauchseinrichtung gemäß §14a EnWG angemeldet haben sowie Betreiberinnen von Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 7 kW (sofern dies erforderlich ist um die gesetzlich vorgeschriebenen Rolloutquoten zu erreichen).

Es gibt jedoch auch Ausnahmefälle § 29 Abs. 5 MsbG: Es ist keine Steuereinheit notwendig, wenn Anlagenbetreiberinnen die maximale Wirkleistungseinspeisung ihrer Anlage dauerhaft auf 0 Prozent der installierten Leistung begrenzen und sie dies gegenüber dem gMSB in Textform erklärt haben. Sie müssen dann sicherstellen, dass ihre Anlage dauerhaft keinen Strom in die Elektrizitätsversorgungsnetze einspeisen. Dennoch bleibt die Verpflichtung bestehen, die Anlage mit einem iMSys auszustatten.

Änderung der Preisobergrenzen: Wirtschaftlichkeit im Fokus

Ein zentrales Thema für Messstellenbetreiber sind die Anpassungen der Preisobergrenzen (POG) gem. §30 MsbG, die den Smart-Meter-Rollout wirtschaftlich robuster machen sollen. Denn es gelten nun höhere POG pro iMSys-Einbaufall und auch für moderne Messeinrichtungen (mME) gibt es nun 5 EUR mehr pro Jahr. Die Anschlussnutzer (ANu) haben diese höhere Entgelte zu entrichten. Der Anteil des Anschlussnetzbetreibers (ANB) bleibt gleich. Neu ist, dass die Steuerungs-POG durch den Anschlussnehmer (ANe) zu zahlen ist.
Zusätzlich entfällt die Bündelungsregelung und es gibt neue Entgeltregelungen für Zusatzleistungen, wo gMSB mehr Freiheitsgrade für „angemessene Messentgelte“ erhalten.

Doch ab wann gelten die neuen POG? Theoretisch wirkt das Gesetz rückwirkend zu dem 01.01.2025 (die POG für mME seit Inkrafttreten). Dennoch ist das Prozedere mit Verträgen, AGB und Preisblatt-Veröffentlichung und Co etwas komplizierter, sodass die meisten gMSB wohl ein neues Preisblatt veröffentlichen werden, welches 3 Monate Vorlaufzeit benötigt, bevor die neuen POG dann wirksam werden. Hier bietet sich also die Abrechnung mit den neuen POG ab 1. Juli an, wenn das Preisblatt zum 1. April veröffentlicht werden kann.

Preisobergrenzen (Klick zum Vergrößern)

Einbaufallgruppen und Fristen für den Rollout und Sanktionen

Während gMSB bislang auf die Anzahl ausgestatteter Messstellen eine Pflichteinbauquote zu erfüllen hatten, ändert sich die Logik zur Berechnung der Ausstattungsquoten nun. Künftig wird auch die erfasste installierte Leistung erfasst. Neu ist auch, dass eine Unterschreitung der gesetzlichen Ausstattungsverpflichtungen um 25 % oder mehr dazu führen kann, dass ein gMSB seine Grundzuständigkeit durch die Bundesnetzagentur entzogen werden kann. Hier gibt es jedoch noch weitere Voraussetzungen, u.a., dass das Verfehlen gleichzeitig zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in mindestens einer Regelzone führen könnte.

Einbaufallgruppen (Klick zum Vergrößern)

Erweiterung der MSB-Standardleistungen

Die Novelle definiert neue Standardleistungen, um die Steuerbarkeit von Anlagen effizient umzusetzen. Dazu gehört insbesondere die Steuerung am Netzanschluss als neue Standardleistung. Auch die Quasi-Echtzeit-Datenlieferung (statt täglicher Viertelstundenwerte) ist neu: gMSB müssen nun auf Anfrage eine sofortige viertelstündliche Übermittlung der Werte an Netzbetreiber sicherstellen. Neben Strom wird nun auch die iMSys-Anbindung für Gas in den Fokus rücken: Ab 2026 ist die Anbindung von Gasmesseinrichtungen als Zusatzleistung möglich.

Der neue “Steuer-TÜV” (§12 EnWG)

Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen müssen zukünftig in der Lage sein, die Steuerbarkeit sowie die Abrufung der Ist-Einspeisung aller in ihrem Netz befindlichen Erzeugungs- und Speicheranlagen nachzuweisen. Dies ist einmal jährlich zu testen. Die Leitlinien dafür sind bis Ende April durch die Übertragungsnetzbetreiber zu definieren. Und daraus ergeben sich auch für MSB zahlreiche Mitwirkungspflichten, da sie verantwortlich für die Smart-Grid-Infrastruktur von iMSys und Steuerungstechnik sind.

Aus den jährlichen Tests müssen MSB, VNB und ÜNB dann Berichte erstellen, die der Bundesnetzagentur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorzulegen sind.

Auch hier gibt es nun Sanktionsmöglichkeiten. Sollten die Akteure gegen ihre Pflichten dauerhaft oder wiederholt verstoßen, kann die Bundesnetzagentur bspw. verschiedene Maßnahmen ergreifen, bspw. Pflichten des VNB auf den jeweils vorgelagerten Netzbetreiber übertragen. Aber auch EEG-Anlagenbetreiber haben gem. §9 EEG den ordnungsgemäßen Zustand der Anlagen sicherzustellen.

Was ist jetzt zu tun?

Für die Akteure der Energiewirtschaft entstehen nun einige Handlungsfelder. Insbesondere Messstellenbetreiber stehen vor der Herausforderung, die Neuerungen schnell umzusetzen und Technik, Prozesse, Daten und IT auf Vordermann zu bringen. Dabei sind insbesondere folgende Handlungsfelder wichtig:

  • Rollout-ready machen: die ca. 340 MSBs, die noch keine iMSys im Feld haben, müssen nun in den Mess- und Steuerungsrollout einsteigen. Hier kann die Beauftragung von Dienstleistern (von Teilleistungen bis zum Full-Service sind hier je nach Bedarf viele Optionen am Markt möglich) eine schnelle Lösung darstellen. Kommen Sie gern auf uns zu, wenn Sie die nächsten Schritte bewerten und umsetzen wollen.
  • Prozesse stabilisieren: auch gMSBs die schon einige Tausend iMSys in der Fläche installiert haben, bemerken, dass entlang der Meter-to-Cash-Prozesskette noch viele Automatisierungs- und Digitalisierungspotentiale liegen. Unter anderem die Prozesse in der Marktkommunikation und den Backendsystemen sind zu stabilisieren, aber auch ein intelligentes Störungsmanagement für iMSys (wie von dem HG-Partner CubyLink angeboten: Link) ist essentiell. Darüber hinaus gilt es, komplexere Einbaufälle sowie 1:n-Fälle zu erproben und massenfähig zu machen.
  • Standard- und Zusatzleistungen bedienen: Neben dem Einbau auf Kundenwunsch, den es effizient in die Rollout-Strategie einzubinden gilt, sind auch Preisblätter neu zu veröffentlichen und ggf. mit Marktpartnern Gespräche zu führen, um die neuen POG- und Preisstrukturen nicht nur reibungslos in die Systeme zu überführen, sondern auch um korrekte Abrechnungen stellen zu können.
  • Steuer-Rollout vorbereiten: Für das Schalten und Steuern in der Niederspannung gem. §14a EnWG oder §9 EEG sind zeitaufwendige Vorbereitungen zu treffen. Soll-Prozesse und IT-Zielbilder von VNB und MSB sind zu entwerfen und Lösungen wie CLS-Management-Systeme (MSB) oder ein Netzcockpit (VNB) sind zu etablieren. Hier sind neben einer guten Definition der Anforderungen ggf. auch (EU-)Ausschreibungen notwendig, die zeitaufwendig sind. Gerne begleiten wir Sie dabei, bspw. auch mit einem strategischen Workshop zum CLS-Management.

Fazit: Digitalisierung und Automatisierung als Schlüssel zur Umsetzung

Die Novelle bringt für VNB und gMSB nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen. Ein frühzeitiges digitales Setup für Massenprozesse und eine strategische Umsetzung der neuen Vorgaben sind jetzt entscheidend.

Wie können Sie als Messstellenbetreiber diese Herausforderungen erfolgreich bewältigen?
Lassen Sie uns ins Gespräch kommen! Als Expert*innen für die Digitalisierung der Energiewirtschaft unterstützen wir Sie bei der Umsetzung – von der strategischen Konzeption bis zur technischen Integration unterstützen wir Sie gern. Wir freuen uns auf einen regen Austausch und stehen Ihnen für weitere Fragen gerne zur Verfügung: